Online-Tagung am 12. & 13. November: Die Europäische Union und ihre Grenzen

Gibt es die europäische Bürgerin, den europäischen Bürger? Wie wirkmächtig sind die in Umfragen zum Ausdruck gebrachten Solidaritätsbekundungen?

Wer sind die transnational mobilen EU-Bürgerinnen und Bürger? Was sind ihre Alltagsroutinen, ihre Lebensrealität und ihre Zukunftsentwürfe?

Die Online-Tagung am 12. & 13. November 2021 nimmt diese und andere Fragen in den Blick.

 

Tagung der Sektion Europasoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am Zentrum für Migrations- und Integrationsstudien (MiGS) der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd 

organisiert mit Unterstützung der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd

12. & 13. November 2021

Ort/Format: synchrones Online-Format via Zoom

Anmeldung: Per Mail bis 7. November via migs@ph-gmuend.de

Programm: Das Tagungsprogramm finden Sie hier zum Download.

Wie die historisch-vergleichende Sozialforschung gezeigt hat, sind Aufbau und Kontrolle von Grenzen nach Außen und Abbau und Differenzierung von Grenzen nach Innen ein zentrales Element von Herrschaftsbildungsprozessen. Das ist beim europäischen Projekt nicht anders. Binnenmarkt und Personenfreizügigkeit zählen zu seinen Pfeilern, während die jeweiligen Außengrenzen immer stärker hervortreten, ungeachtet der Tatsache, dass die künftigen Grenzen der EU weiterhin unbestimmt sind.

Während die Grenz- und Asylpolitik der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsländer von Beginn umstritten waren, stellen sich vermehrt auch kritische Fragen hinsichtlich des Binnenmarktes und der Arbeitnehmer-Freizügigkeit.

Eine erste betrifft die Vereinbarkeit von Wohlfahrtsstaat und Inklusion der Binnenmigrantinnen und -migranten in das jeweilige nationale Sozialsystem. Ab wann haben EU-Binnenmigrierende Anspruch auf welche Sozialleistungen? Die Antwort auf diese Frage gewinnt ihre besondere Brisanz durch die großen und überaus hartnäckigen Entwicklungsunterschiede im europäischen Wirtschafts- und Sozialraum. Während die Finanzierung von Sozialleistungen weiterhin national ist, wird der Zugang zu Sozialleistungen zunehmend durch EU-Recht bestimmt. Die Kritik an den „fremden Richtern“ (des Europäischen Gerichtshofs) war denn auch ein wichtiges Motiv in der Brexit-Debatte.

Hier schließt sich eine weitere Frage an: wie verbreitet sind national inklusive im Gegensatz zu transnational europäischen Solidaritätsvorstellungen? Die Befunde hierzu sind widersprüchlich. Während ein beträchtlicher Anteil der europäischen Bürgerinnen und Bürger in Umfragen die Idee der nationenübergreifenden Solidarität befürwortet und sich ein beeindruckender Umfang grenzüberschreitender zivilgesellschaftlicher Akteure wie z. B. Pulse of Europe herausgebildet hat, sind Gegenbewegungen nicht zu übersehen. In der Coronakrise wurden nicht nur Grenzen hochgezogen, auch vom „Impfnationalismus“ wird zunehmend gewarnt.

Spaltungstendenzen zwischen den „Kosmopoliten“ und jenen, die sich zurückgelassen fühlen, werden auch in einer anderen Hinsicht sichtbar. Die innereuropäische Freizügigkeit wird höchst ungleichmäßig genutzt. Es sind die armen Mitgliedsländer, deren Bevölkerungen die höchsten Mobilitätsraten aufweisen. Diejenigen, die von ihren Sozialmerkmalen gewöhnlich nicht in die Gruppe der Kosmopoliten gezählt werden, sind die mobilsten. Zudem übersteigt die Zahl der Drittstaatsangehörigen, die in der EU migrieren, weiterhin die der EU-Binnenmigranten.

Der Titel der Tagung ist bewusst mehrdeutig gewählt: Es geht um die Beseitigung von Mobilitätsbarrieren im Binnenmarkt und deren Folgen für das Zusammenwachsen Europas, aber auch um die Außengrenzen der europäischen Staatengemeinschaft und um die Grenzen der Europäischen Integration im übertragenen Sinn. Wir laden zu Beiträgen ein, die sich beispielhaft mit folgenden Fragen beschäftigen:

  • Gibt es die europäische Bürgerin, den europäischen Bürger? Wie wirkmächtig sind die in Umfragen zum Ausdruck gebrachten Solidaritätsbekundungen?
  • Wer sind die transnational mobilen EU-Bürgerinnen und Bürger? Was sind ihre Alltagsroutinen, ihre Lebensrealität und ihre Zukunftsentwürfe?
  • In welchem Verhältnis steht die Krise des europäischen Grenzregimes zur europäischen Zentrumsbildung?
  • Untergraben die Binnenmarktfreiheiten (bzw. ihre extensive Interpretation) die national verankerten Arbeitnehmerrechte? Wenn ja, welche Vorschläge für eine bessere Balance gibt es?
  • Die Europäische Kommission bemüht sich die Binnenmigration zu fördern: Ist der bindungslose homo oeconomicus die Utopie des europäischen Binnenmarkt­programms?